Weniger Repression bitte!

Der jährliche Suchmittelbericht des Innenministeriums konstatiert auch heuer wieder das Schlimmste: der Verbrauch ist gestiegen und mit ihm die Mengen der beschlagnahmten Drogen. Im vorigen Jahr gab es beinahe 24.000 Anzeigen aufgrund von Drogendelikten, davon allerdings 70 Prozent wegen Cannabis. In der Regel wird ein Drittel bis die Hälfte der Verfahren vom Staatsanwalt zurückgelegt bzw. eingestellt, vornehmlich bei Besitz zum Eigengebrauch.[1] Die Antwort der Innenministerin verkommt zu einem Standardsatz: mehr Repression bitte. Nicht gerade der fortschrittlichste Ansatz.

Wiens prominentester Drogenumschlagplatz, die Karlsplatzpassage, erfuhr in den letzten Jahren mehr Repression. Der Junkie-Tunnel vor dem Resselpark wurde gründlich aufgeräumt. Täglich patrouillieren Polizisten im Areal, Dealer und / oder Konsumenten halten sich dort immer weniger auf. Das Problem wurde damit jedoch keineswegs gelöst. Die Szene hat sich lediglich verlagert und gastiert jetzt am Gürtel, an der U-Bahnstation Josefstädterstraße. Auch dort wird über kurz oder lang mit der gleichen Strategie vorgegangen werden, und eine weitere Verlagerung, jedoch keine Lösung bewirken. Denn grundsätzlich scheint zu gelten: Aus den Augen aus dem Sinn.

50 Jahre nach der UN Single Convention on Narcotic Drugs[2] wird es Zeit, die bisherige Drogenpolitik gründlich zu reflektieren und den Mut zu progressiveren Ansätzen aufzubringen. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen ist zwischen 1998 und 2008 weltweit der Konsum von Opiaten um 34,5 %, von Kokain um 27% und von Cannabis um 8,5 % gestiegen.[3]  Insbesondere im Fall von Marihuana lässt sich der Misserfolg der Verfolgungsstrategie an statistischen Daten ablesen: das Verbot der Droge hält kaum jemanden vom Konsum ab, weil auch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen das hauptsächlich in den 1950er Jahren erschaffene negative Bild von Cannabisprodukten in Frage stellen. Marihuana, wenn nicht gerade selbst angebaut, wird hauptsächlich bei Dealern gekauft, die damit jährlich Umsätze in Rekordhöhe erzielen. Hier liegt das wahre Problem, das der Staat quasi fördert: die organisierte Kriminalität. Dem Staat selbst hingegen entstehen ausschließlich Kosten. Kosten für die Bekämpfung eines Verbrechens, bei dem niemand mehr so richtig argumentieren kann, warum es eigentlich ein Verbrechen ist. Die Global Commission on Drug Policy empfiehlt in ihrem kürzlich erschienen Bericht den Regierungen, Versuche mit legaler Regulation von Drogen durchzuführen, insbesondere mit Cannabis, um die Macht von organisiertem Verbrechen zu unterminieren und dadurch einen besseren Schutz seiner Bürger zu gewährleisten. Der Bericht verweist auf die erfolgreiche aber ebenso fast unbekannte Entkriminalisierung in Portugal im Jahr 2001.

Durch eine Liberalisierung oder gar Legalisierung von Cannabis könnte der Staat nicht nur Kosten senken, sondern auch Steuereinnahmen lukrieren. Eine Besteuerung ähnlich der Alkohol- oder Tabaksteuer sichert dem Staat Einnahmen, lässt eine Kontrolle von Abgabe und Qualität zu und führt so zu einer volkswirtschaftlichen Win-Win Situation.

Letztlich müsste über eine neue Strategie mit dem Umgang aller Drogen nachgedacht werden. 50 Jahre „War on Drugs“ haben gezeigt, dass sich dieser Ansatz als falsch erwiesen, und im Grunde mehr Probleme verursacht als gelöst hat. Die Frage die sich stellt ist, ob drogenaffine Menschen nicht ungeachtet von deren Illegalität Drogen konsumieren und generell drogenaverse Menschen Drogen nicht konsumieren, weil sie illegal sind, sondern weil viele ja nach wie vor gesundheitsschädlich sind. Es betrinkt sich ja auch nicht jede/r mit Alkohol, nur weil es legal ist.

Die wesentlichen Anstrengungen des Staates sollten bei vermehrter Aufklärung über die Gesundheitsrisiken von Drogenkonsum und bei einem rigorosen Jugendschutz liegen. Speziell letzteres kann durch eine Liberalisierung umfassender gewährleistet werden. Die dafür notwendigen Ressourcen werden dabei automatisch frei. Eine gründliche Drogenaufklärungskampagne umfasst natürlich auch zwingend die Volksdrogen Alkohol und Tabak. Denn gerade im Licht der Stellenwerte, die Alkohol und Tabak in unserer Gesellschaft genießen, erscheint der restriktive Umgang mit verschiedenen anderen Substanzen ja geradezu absurd, „Kulturdroge“ hin oder her.

Ferner sollte jeder mündige Erwachsene in einem liberalen Staat selbst entscheiden können, was er seinem Körper antut und was nicht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert