Wohl kaum jemand hat die erfolgreiche Bergung der 33 Bergarbeiter in Chile nicht mitverfolgt. Kaum jemand wird sich nicht freuen, dass die 33 wieder an der Oberfläche sind – nach den Familien wahrscheinlich Präsident Pinera am meisten. Für sein angeschlagenes Image war das Spektakel rund um die Bergung eine gelungene PR. Aber gut – verdiente PR für eine einwandfreie Rettung.
Und dennoch suggerieren die Bilder der Bergung ein falsches Gesamtbild. 14 Millionen Euro Bergungskosten, High-Tech Ausrüstung, maßgeschneiderte Anzüge und funkelnde Sonnenbrillen für die Kumpels. Daneben warten 4 Helikopter um die Arbeiter ins nächste, wahrscheinlich private, Krankenhaus zu bringen – bestimmt journalisten-rein und tippi toppi. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wenige der „Los 33“ zuvor ein ähnliches Krankenhaus von innen gesehen haben, geschweige denn es überhaupt Wert gewesen wären. Die Kumpel werden dann auch nicht in ihre komfortablen Häuschen heimkehren, sondern eher in ihre Hütten. Denn bei all den tollen Bildern, die wir gesehen haben, ist ein Fakt verdreht: die Compadres sind nicht Bergwerksarbeiter in Österreich. Das ganze spielt sich in Chile ab. Im einstigen neoliberalen Musterland Chile, wo Diktator Pinochet Friedman’s Chicago Boys ans Werk gelassen hat, deren Spuren auch 35 Jahren danach nicht verwischt sind.
Chile befindet sich als Neo-OECD Mitglied im HDI auf Platz 44, nach Ungarn und vor Kroatien, und damit im Segment der hochentwickelten Länder und steht weiters mit einem BIP/Kopf (PPP) von 14,600 USD eigentlich nicht schlecht da. Betrachet man jedoch den Gini-Koeffzienten (misst die ungleiche Verteilung des Reichtums in einem Land, 1=perfekte Ungleichheit) sieht die Sache anders aus: mit einem Wert von von 0.549 rangiert das Land hier eher im hintersten Segment. Zum Vergleich: Ungarn und Kroatien, gemeinsam mit Österreich, im vorderen Segment (26-29,1).
Nur ca. 13% der Arbeiterschaft ist gewerkschaftlich organisiert. Die Arbeitnehmerschutzgesetze sind eher dünn gesäht, während die Unternehmerfreundlichkeit ihresgleichen auf dem Kontinent sucht. Obwohl Chile der weltgrößte Kupferexporteur ist, was auch 17,5 % des BIP (und 1/3 der Regierungseinnahmen!) ausmacht, hat es, Überraschung, die ILO „Konvention 176 für Sicherheit und Gesundheit in Minen“ nicht ratifiziert. Überhaupt wurde diese Konvention nur von 24 Ländern ratifiziert, in Lateinamerika von Brasilien und Peru. Mit diesem Abkommen stünden sämtliche Bergarbeiter unter Schutz – aber wen würde das schon interessieren? Mit einer Rate von 20% an Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, haben wir genügend „Variablen“ in der Kostenrechnung, die bereit sind, unter prekären Bedingungen gefährliche Jobs zu machen. Der Bergmann Mario Gomez arbeitete seit seinem 12. Lebensjahr (!) in den Minen.
Es bedurfte erst diesem international aufsehenerregenden Unglück, dass landesweit Minen überprüft, und in der Folge auch 18 geschlossen wurden. Allein in der Gegend der Attacama Wüste befinden sich 186 weitere Minen!!! Davor war die Sicherheit der Arbeitnehmer eigentlich kein großes Thema. Warum auch? Den ganz objektiv betrachtet dient der arbeitende Mensch, hier wie dort, nur einem Zweck: dem Profit. Darüber hinaus ist er oder sie schlicht und einfach ersetzbar, soll heißen: nichts wert. Insofern schneidet sich die chilenische Regierung mit dem großen Medienrummel ja ins eigene Fleisch. Die Chinesen verstehen es da viel besser, die Hand drüber zu halten und so zu tun, als wär nichts passiert.
Immerhin haben diese 33 Kumpel jetzt ausgesorgt. Hoffe ich. Im Übrigen bin ich der Meinung, HC Strache muss mit einem nassen Fetzn verjagt werden.